Familienalbum


 

Marcel Kalisch und Familie - Recherchen

Helene Kreißl lernte - wohl noch in den 20er Jahren des 20.Jhdt. - Marcel  kennen.

Sie war damals mit ihrer Handelsschulausbildung bei einem Rechtsanwalt als Sekretärin angestellt.

Marcel war Klient des Rechtsanwaltes und soll Innenarchitekt gewesen sein.

Nach Erzählungen hatte er eine Schwester, die Ärztin war. Sein Vater hatte irgend etwas mit Holz und Möbel zu tun. Sie waren jüdischer Abstammung. Sein Name sollte Kalesch, Kalirsch o.ä. sein.

Der Wohnort mußte in Fußwegentfernung von ihrem damaligen Wohnort von Helene - Wien 7, Bernardgasse 25 gewesen sein.

ein Foto zeigt Helene, ihre Schwester Rosa und Marcel.

v.l.n.r: Helene, Marcel, Rosa Kreißl

In den Datenbanken jüdischer Matriken gibt es keine Kalesch, oder Kalirsch, aber viele Kalisch.

Im Lehmann Adressbuch von 1930 schließlich findet sich an der Adresse Wien 7, Westbahnstrasse 56 ein Marcel Kalisch - Architekt, an der gleichen Adresse ein Ledersesselfabrikant I. Kalisch. und auf Nr. 58  ein Tischler namens Isaak Kalisch - Werkstatt Wien 15. Johnstrasse 59.

Das müssen die Gesuchten sein.

Das Haus Westbahnstraße 56-58 ist ein Doppelhaus, sie wohnen also alle im gleichen Haus.

Haus Johnstrasse 59 - Tischlerei von Isaak Kalisch - wahrscheinlich im Erdgeschoss.

In Datenbanken jüdischer Gräber in Wien finden sich die Einträge von 3 Personen namens Kalisch im gleichen Grab.

mit Zusatznamen "Israel" nach Reichsgesetzblatt gemäß Namensänderungsverordnung von 1938.

Isak Kalisch gestorben 1.3.1942 im Spital der israel. Kultusgemeinde 1180, mit Wohnadresse 1020 Novaragasse 49.

Dr. Jania Kalisch - Ärztin- gestorben am 19.6.1927 im AKH 1090 , Wohnadresse ebenfalls in der Westbahnstraße 58.

und eine Frieda Kalisch, gestorben 27.1.1935 ebenfalls mit Adresse Westbahnstraße 58.

Auf der Genealogieplattform Geni.com gibt es einen Stammbaum der Familie Kalisch, der die Verwanschaftsverhältnisse endgültig klärt.

Isak Kalisch war also 2 mal verheiratet. In erster Ehe hatte er 2 Kinder Wiktorya (Viktoria) und Josef. In zweiter Ehe hatte er 3 Kinder: Marcel, Zania (Jania) und Fryderyka (Frieda)

Nach Überlieferung waren Helene Kreißl und Marcel Kalisch 1938 bereits 7 Jahre verlobt. Sie müssen sich also etwa 1931 verlobt haben.

Am 15. September 1935 wurden die Nürnberger Gesetze erlassen.

Damit wurden Ehen zwischen Juden und Arier verboten. So kam es nicht mehr zu einer Hochzeit zwischen den beiden.

Dann kam der 10. November 1938 - Die Reichsprogromnacht. Es gab geplante, organisierte und gewalttätige Vorgehen gegen Juden, jüdische Geschäfte und Betriebe, Synagogen, Bethäuser und andere jüdische Einrichtungen im gesamten Gebiet des damaligen Großdeutschen Reichs.

Marcel Kalisch beschloß nach England zu flüchten. Helene sollte irgendwann nachkommen.

In seiner Abwesenheit kümmerte sich Helene Kreißl um seine Familie und kaufte für sie ein, weil dies damals für Juden nicht mehr so einfach möglich war. Fleisch, Milch , Eier, Weizenmehl durften nicht mehr an Menschen jüdischer Abstammung verkauft werden. Außerden durfte der erlernte Beruf von Juden nicht mehr ausgeübt werden.

Die Familie Kalisch besaß einiges Vermögen uns sie fragten Helene, ob sie nicht einige Wertsachen für sie verwahren könne, aber Helene wollte das nicht.

Während seiner Abwesenheit schrieb Marcel zwar Briefe an seine Verlobte Helene, aber diese kamen nie an, weil sie von ihrer Mutter, in der Angst ihre Tochter zu verlieren, zurückgehalten und versteckt wurden. (Die Briefe wurden erst viele Jahre später von ihrer Tochter Victoria Göstl - noch als Kleinkind - gefunden.)

Eines Tages kam Helene wieder zur Tür der Familie Kalisch, nachdem sie nur kurze Zeit für Besorgungen weggewesen war, fand aber die Tür versiegelt. Die Nationalsozialisten hatten Isak Kalisch und Familie inzwischen weggebracht und in eine Wohnung im 2. Bezirk zwangsübersiedelt. Das sollte zur Vorbereitung auf eine Deportation dienen. Das Eigentum der Familie wurde beschlagnahmt.  

Nach Kriegsende heiratete Helene Kreißl schließlich Josef Göstl und bekam Kinder.

Nach einigen Jahren kam ein Beauftragter von Marcel in die Wohnung in der Bernardgasse 25 und erkundigte sich nach Helene Kreißl. Man teilte ihm mit, daß Helene inzwischen verheiratet sei und Kinder hätte, darauf hat man nie wieder etwas von Marcel gehört.(erzählt von Schwester Rosa Kreißl)

Was sonst noch über die Familie erkundet wurde:

Isaak Kalisch:

Isaak Kalisch blieb aus gesundheitlichen Gründen die Deportation erspart, er kam ins  Krankenhaus der IKG, wo er 1942 verstarb. Seine letzte Adresse 1942 war lt. Aufzeichnungen der IKG Wien 2, Novaragasse 49, die Sammelwohnung.

Auf der Liste der Bewohner Novaragasse 49 des DÖW findet man allerdings keinen Isak Kalisch. (da war er vielleicht schon im Spital, oder verstorben)

Chaje (Kaja) Kalisch: die Mutter von Marcel

1914 scheint eine Chaja Kalisch als Mutter eines Abraham Thumim auf. Vater ist ein Isak Jozef Thumim. Einen Hinweis auf eine Scheidung von Isak Kalisch, oder eine Ehe mit Isak Thumim gibt es nicht.

1942 wird sie von Wien nach Theresienstadt/Treblinka deportiert und kommt dort ums Leben. Ihre Wohnadresse zuletzt war Wien 2, Novaragasse 41/3 (auch eine Sammelwohnung).

Liste der deportierten aus Novaragasse 41:

Transportliste von Deportation:

mit Zusatznamen "Sara" nach Reichsgesetzblatt - Namensänderungsverordnung 1938.

Marcel Kalisch:

Er war in Wien als Innenarchitekt tätig und arbeitete auch - lt. Überlieferung - für das Theater in der Josefstadt.

Anzeige am 21.8.1932 in der Zeitung "Wiener Tag"

Nach der Flucht nach England lebt er offensichtlich in London. 1947 findet sich ein Eintrag eines Marcel Kalisch, Designer - jetzt Kalish - an der Adresse Rossway 49, Wellhall, Etham, London S.E.9

Es dürfte in London Einträge eines Marcel Kalish mindestens bis 1965 geben (ancestry).

Zania (Jania) Kalisch:

Jania Kalisch wurde in Lemberg Gallizien (Ukraine) geboren und promovierte am 21.11.1921 in Wien zum Dr. med.

Sie heiratete 1926 einen Hans Lindner. Nach Zeitungsmeldungen diente die Heirat jedoch nur dazu, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Sie arbeitete in einem Wiener Spital als Ärztin und beging 1927 Selbstmord.

Fryderyka (Frieda) Regina Kalisch:

Sie starb schon am 29.1.1935 in Wien an ihrer Wohnadresse Westbahnstrasse 58. Todesursache ist unbekannt.

Wiktorya (Viktoria) Kalisch:

Sie wurde am 30.12.1890 in Lemberg geboren. Letzte Wohnadresse Wien 2, Darwingasse 5 - ebenfalls eine Sammelwohnung. 1942 wurde sie von Wien nach Maly Trostinec bei Minsk, Weißrußland deportiert und hat nicht überlebt.

Lister der Deportierten aus der Darwingasse 5:

Die Transportliste von der Deportation:

mit Zusatznamen "Sara" nach Reichsgesetzblatt - Namensänderungsverordnung 1938.

 

Josef Kalisch:

über ihn ist nichts weiter bekannt.

Der Stammbaum bei Geni.com von Marcel Kalisch und Familie wird von Nachkommen eines Onkels in Los Angeles betraut.

Betreuerin: Rebecca Fenning

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